Bundessozialgericht: Krankenkasse muß Behandlungspflege zahlen

Klagegegenstand
Entscheidung des Bundessozialgerichts
Presseberchte
 


Klagegegenstand

 

Kassel, den 17. März 2000

Presse-Vorbericht Nr. 20/00

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts wird am 30. März 2000 u.a. über eine Revision aus dem Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung entscheiden, davon zwei Revisionen aufgrund mündlicher Verhandlung.

11.00 Uhr - B 3 KR 14/99 R - L. ./. Karstadt BKK

Die 87 Jahre alte Klägerin lebt allein in ihrer Wohnung. Sie ist nicht pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung, erhält jedoch aufgrund einer ärztlichen Verordnung häuslicher Krankenpflege durch einen Pflegedienst zweimal täglich die erforderlichen Medikamente verabreicht, weil sie selbst wegen fehlender Krankheitseinsicht dazu nicht zuverlässig zu bewegen ist. Die beklagte Krankenkasse hat die Kosten vorübergehend übernommen, lehnte dies aber auf Dauer ab, weil es nur um sog einfache Behandlungspflege gehe, für die kein Fachpersonal erforderlich sei. Zu dieser Form der Krankenhilfe sei sie nicht verpflichtet. Das SG hat sie zur Leistung verurteilt. Dagegen richtet sich ihre zugelassene Sprungrevision, mit der sie ihren Rechtsstandpunkt weiterverfolgt.

SG Duisburg - S 9 KR 87/98 -

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Entscheidung des Bundessozialgerichts

 

Kassel, den 4. April 2000

Presse-Mitteilung Nr. 20/00 (zum Presse-Vorbericht Nr. 20/00)

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über die am 30. März 2000 nach mündlicher Verhandlung entschiedenen Revisionen:

2) Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Die Vorinstanzen haben sie zu Recht verurteilt, die Medikamentenversorgung der Klägerin durch einen ambulanten Pflegedienst zu übernehmen, weil dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die Verpflichtung der Beklagten entfällt nicht deshalb, weil es sich um sog einfache Behandlungspflege handelt, die - wenn schon nicht vom Erkrankten selbst - von jeder nicht ausgebildeten Pflegeperson durchgeführt werden könnte. Die Krankenkasse ist nach dem Gesetz von ihrer Leistungspflicht wohl entbunden, wenn im Haushalt des Kranken lebende Personen die erforderliche Pflege erbringen; dabei dürfte es sich in der Regel um sog einfache Behandlungspflegemaßnahmen handeln. Die allein lebende Klägerin kann solche Hilfe aber nicht in Anspruch nehmen.

SG Duisburg - S 9 KR 87/98 - - B 3 KR 14/99 R -

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Presseberichte

Ärzte Zeitung, 31.03.2000

Urteil des Bundessozialgerichts / Alte Frau kann Medikamente nur unter Aufsicht einnehmen

Kassen müssen jede Behandlungspflege bezahlen

Kassel (mwo). Ärzte können jede aufgrund einer Krankheit erforderliche Behandlungspflege zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnen. Das hat gestern das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschieden. Das oberste Sozialgericht hat damit den Rückzug der Krankenkassen aus Behandlungspflege und das stillschweigende Vertrauen auf Angehörige oder die Pflegeversicherung gestoppt.

Eine 87 Jahre alte Frau aus dem Rheinland lebte allein in ihrer Wohnung und kam dort bestens ohne Unterstützung der Pflegeversicherung zurecht. Wichtige Medikamente nahm sie allerdings alleine nicht zuverlässig ein, weil ihr hierfür die notwendige Einsicht fehlte.

Angehörige, die bereit waren, die Einnahme der Arznei zu überwachen, hatte sie nicht. Ihr Arzt verordnete deshalb Häusliche Krankenpflege und schickte zweimal täglich einen Pflegedienst vorbei, um die Einnahme zu kontrollieren.

Die Kosten hierfür wollte die Krankenkasse jedoch nur vorübergehend übernehmen, lehnte dies aber auf Dauer ab: Um der Frau ihre Medikamente zu geben, sei kein medizinisch qualifiziertes Personal erforderlich. Dies könnten ebenso Angehörige oder die Pflegeversicherung übernehmen. Die Krankenkasse jedenfalls sei für solch einfache „Krankenhilfe“ nicht zuständig.

Vor dem Bundessozialgericht hatte diese Auslegung der Krankenkassen jedoch keinen Bestand: Nach dem Gesetz habe die Krankenversicherung weiterhin Häusliche Krankenpflege zu leisten; sie sei für jede Behandlungspflege zuständig, die aufgrund einer Erkrankung erforderlich wird, urteilten die Kasseler Richter. Einen Unterschied zwischen „einfacher“ und „medizinischer Behandlungspflege“, wie ihn die beklagte Krankenkasse unterstelle, mache das Gesetz dabei nicht.

Soweit Ärzte diese Aufgaben nicht selbst bei ihren Hausbesuchen übernehmen, könnten sie daher die Kontrolle des Blutdrucks, des Blutzukkers oder eben auch der Einnahme von Medikamenten zu Lasten der Krankenkassen verordnen.

Az: B 3 KR 14/99 R


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dpa, 31.03.2000 

Kasse muss für Pflege zahlen

Gericht: Auch Überwachung von Arznei-Einnahme

Kassel (dpa/AP) - Krankenkassen müssen Pflegedienste dafür bezahlen, dass sie Patienten auf ärztliche Anweisung Medikamente verabreichen. Dies hat das Bundessozialgericht in Kassel (BSG) am Donnerstag entschieden (AZ: B 3 KR 14/99 R). Konkret ging es um eine 87 Jahre alte, ansonsten nicht pflegebedürftige Frau, der Mitarbeiter eines Pflegedienstes zweimal täglich Medikamente gaben. Dies hatte ein Arzt verordnet, weil die Frau nicht zum regelmäßigen Einnehmen ihrer Medizin zu bewegen war.

Die beklagte Kasse hatte die täglich 16,90 Mark teuren Besuche des Pflegedienstes nur vorübergehend bezahlt, weil auch Laien diese Dienste übernehmen könnten. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Kassen zur Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege verpflichtet sind. Unerheblich sei dabei, ob ein Laie oder eine Fachkraft die Arznei verabreiche. Die Kassen dürften die Zahlung nur dann verweigern, wenn Angehörige die Pflege übernehmen könnten. Dazu gehöre auch das Kontrollieren von Blutdruck und Blutzucker.

Mit dem Urteil drohen nach Angaben eines Sprechers allein der betroffenen Karstadt Betriebskrankenkasse mit ihren 85000 Versicherten zusätzliche Kosten bis in den siebenstelligen Bereich.

Copyright © 2000 dpa

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